Nebenstehender Bericht basiert auf Peace Pilgrims eigenen Aussagen, nach ihrem Tod veröffentlicht als „Peace Pilgrim: Her Life and Work in Her Own Words“, sowie unveröffentlichten Interviews mit ihrer Schwester, ihrem Schwager und ihrem früheren Mann. Die Abschriften der Interviews stellte John Rush vom Kalifornischen Peace Pilgrim Center freundlicherweise zur Verfügung.
Am 1. Januar 1953 begann eine unbekannte Amerikanerin eine, wie sie sagte, „optimistische Wanderschaft“. Ihre Ausrüstung bestand aus Kamm, Zahnbürste, Kugelschreiber, Briefpapier, ein paar Faltblättern zum Thema Frieden und der Kleidung, die sie trug. Sie hatte kein Geld dabei, keinen Rucksack, keine Wasserflasche, kein Proviant, keine Trekkingausrüstung. Über ihrem Hemd trug sie eine kurze ärmellose Tunika, auf der in weißer Schrift stand: „Peace Pilgrim“. Ihren bürgerlichen Namen verriet sie nicht mehr, und einen Wohnsitz gab es nicht mehr für sie.
„Ich gehe, bis mir Unterkunft angeboten wird, ich faste, bis mir Essen gegeben wird. Ich frage nicht danach — man gibt es mir ungefragt. Die Menschen sind gut! Ein Funken Güte ist in jedem, der Funken ist da, egal wie tief er vergraben sein mag. Er wartet darauf, unser Leben herrlich zu regieren. Ich nenne ihn die gottzentrierte Natur.“
In den ersten zehn Jahren legte Peace Pilgrim 40.000 Kilometer zu Fuß zurück, danach hörte sie auf, Entfernungen zu zählen. Ihre optimistische Wanderschaft dauerte bis 1981. Ein betrunkener Autofahrer bewirkte dann, dass sie, wie sie es nannte, „den herrlichen Übergang in ein freieres Leben“ machte.
Während ihrer freudigen Wanderschaft berührte Peace Pilgrim die gottzentrierte Natur zahlloser Menschen. Typisch ist ein Auszug aus einem der letzten an sie gerichteten Briefe. (Sie konnte brieflich über eine bestimmte Postlageradresse mit Nachsendeauftrag erreicht werden.):
— Was haben Sie mit mir gemacht? Ich habe doch nur eine nette alte Dame (=Peace Pilgrim) gefragt, ob sie ein Stück mitfahren möchte. Und jetzt eröffnet sich mir eine ganz neue Welt der Wunder! Mein Leben verändert sich täglich in rasendem Tempo. … Ständig finde ich neue Bedeutungen in unserem Gespräch …
Peace versprühte eine phänomenale Energie, was man noch deutlich auf den alten Videoaufzeichnungen spürt. Sie selbst beschreibt es: „Wenn ich spreche, fließt Energie durch mich, wie Elektrizität durch einen Draht. … Da ist das Gefühl endloser Energie, die nie abnimmt; sie scheint so endlos zu sein wie Luft. Du hast das Gefühl, eingestöpselt zu sein in die Quelle universeller Energie.“
Mildred Lisette Norman wurde am 18. Juli 1908 auf einer bescheidenen Hühnerfarm geboren. Die Farm lag im ländlichen Gebiet der Gemeinde Egg Harbor im Staat New Jersey (Atlantikküste der USA). Mildreds Großeltern väterlicherseits kamen aus Deutschland. Sie waren wegen des damaligen deutschen Militarismus ausgewandert. Ein zentraler Wert der Familie war Frieden.
Mildred war das erste Kind der Normans. Sie bekam noch einen Bruder und eine Schwester. In der Hausgemeinschaft lebten außerdem die drei unverheirateten Schwestern ihres Vaters, zudem wohnte im Nachbarhaus noch dessen unverheirateter Bruder, der auch zu den Mahlzeiten kam. Die Erwachsenen, besonders Mildreds drei Tanten, diskutierten ständig angeregt über die Tagesneuigkeiten. Die ziemlich prüden Tanten waren intellektuell und kulturell interessiert und gaben zu Hause den Ton an.
Mildred war ein glückliches und lebhaftes Kind und hatte immer viele Freunde. Bereits mit drei Jahren konnte sie lange Gedichte aufsagen und mit fünf hatte sie herausbekommen, wie man liest. Sie wusste schon früh, was sie wollte. Als sie sechs war, schlug der Schularzt vor, dass man ihre Mandeln herausnehmen sollte. Er gab an, sie habe zwar nichts an den Mandeln, aber die Operation sei jetzt leichter als später, wenn sie älter sei. Ihre Familie fand das eine gute Idee. Mildred hingegen protestierte: „Wenn nichts an den Mandeln ist, dann will ich sie auch nicht herausgenommen haben. Sie haben sicher einen Zweck im Leben.“ Sie machte so einen Aufstand, dass sie sich gegen die Erwachsenen durchsetzte.
Ihre Gesundheit war ausgezeichnet. Sie konnte schwimmen wie ein Fisch. In einen nahe gelegenen Teich machte sie Hechtsprünge und Saltos, und sie sprang gerne von der Brücke in den örtlichen Fluss, entgegen den Warnungen der Erwachsenen, sie könnte beim Sprung mit schwimmendem Unrat zusammenstoßen.
An ihre selbstgestellten Aufgaben ging sie methodisch heran, nach ihrer eigenen Regel first things first — das Wichtige zuerst. In dieser Art brachte sie sich Selbstdisziplin bei. Später bekam sie acht Klavierstunden, übte danach selbständig weiter und wurde eine gute Klavierspielerin. Sie sah sich selbst immer als handlungsorientierte Person. Mit 16 war sie Klassenbeste.
Entgegen ihrem späteren Wesen war Mildred als Heranwachsende durchaus standesbewusst. Als einmal Nachbarjungen ihre Uhr stahlen, und es einen ziemlichen Aufruhr deswegen gab, bemerkte sie: „Was kann man schon von solchem Gesindel erwarten.“
Die Normans gehörten keiner Kirche an, und Mildred erhielt keine formelle religiöse Erziehung. Dazu bemerkte sie: „So brauchte ich später weniger in meinem Denken rückgängig zu machen.“ Sie machte sich ihre eigenen Gedanken zu den Dingen und unternahm selbständig Nachforschungen. Sie war sehr beeindruckt, als sie im Geschichtsunterricht einen Absatz über die Goldene Regel las „Tue anderen das, von dem du möchtest, das sie es dir tun“. Unterschiedliche Darstellungen der Regel in den verschiedenen Religionen wurden in dem Buch vorgestellt. Mildred übersetzte die Regel sinngemäß in ihr jugendliches Leben: „Wenn du Freunde haben willst, dann musst du freundlich sein.“
Bald ergab sich eine Gelegenheit, die Regel in die Tat umzusetzen. Mildred arbeitete in den letzten Schuljahren nebenbei in einem Discountkaufhaus. Als in ihrer Kasse einmal kein passendes Wechselgeld war, nahm sie es aus einer anderen Kasse. Das war strikt verboten, was sie aber nicht wusste. Der Vorfall schlug einige Wellen beim Personal, und es wurde klar, dass die zuständige Aufseherin Mildred nicht eingewiesen hatte. Die Aufseherin entwicklete danach eine starke Abneigung gegen Mildred. Das war Mildred äußerst unangenehm. Sie berichtet:
„Ich wusste, dass irgendetwas getan werden musste. Als ich an ihrem Schreibtisch vorbei ging, fielen mir die verwelkten Blumen dort auf. Am nächsten Morgen brachte ich ihr einen schönen Blumenstrauß aus unserem Garten und sagte: ‚Mir sind die verwelkten Blumen dort aufgefallen. Ich weiß, Sie lieben Blumen, hier sind ein paar aus unserem Garten.‘ Die Aufseherin konnte nicht widerstehen. Am Ende der Woche gingen wir Arm in Arm aus dem Kaufhaus.“
Als Mildred im letzten Schuljahr war, begann sie sich für Gott zu interessieren. Sie fragte diejenigen, von denen sie dachte, dass sie es wissen müssten, was Gott sei. Die Antworten befriedigten sie nicht.
Die häusliche Farm war von Wäldern umgeben und Mildred hatte die Gewohnheit, im Wald zu wandern, um sich dort ihre Gedanken zu machen. Schließlich fand sie auf einem langen Spaziergang mit ihrem Hund ihre eigene erste Antwort auf die Frage nach Gott: „Wir Menschen werfen alles, was wir im Universum nicht verstehen, in einen Topf, und all diesem zusammen geben manche den Namen Gott.“
In den letzten Schuljahren trat Mildred besonders im schulischen Debattier-Team hervor. Sie diskutierte leidenschaftlich und nahm die Diskussionen sehr ernst. Schon damals war sie eine eindrucksvolle Sprecherin.
Sie hielt sich konsequent an ihre persönlichen Entscheidungen. Sie nahm weder Zigaretten noch Alkohol, obwohl alle ihre Freunde es taten. Auf einer Party, auf der der Konformitätsdruck sehr groß war, sagte sie ihren Freunden:
„Versteht bitte, dass das Leben eine Serie von Entscheidungen ist. Niemand kann euch abhalten, eure Entscheidungen zu machen. Ich habe auch ein Recht auf meine eigenen Entscheidungen. Und ich wähle Freiheit.“
Nach Ende der Schulzeit war eine Collegeausbildung wegen fehlenden Geldes nicht möglich. Mildred lernte den Sekretärinnenberuf und hatte danach keinerlei Schwierigkeiten, eine Stellung zu finden. Ihre Schwester berichtet aus Mildreds Berufsleben: „Sie arbeitete im selben Büro wie ich… Sie war diejenige, die sich auf das konzentrieren konnte, was sie tat. Was um sie herum passierte, beachtete sie überhaupt nicht. Das schaltete sie ganz aus. Sie hatte eine wirklich wunderbare Konzentrationskraft. Ich hörte unwillkürlich zu, wenn jemand im Nebenzimmer sprach und vergaß dann, womit ich beschäftigt war. Ihr ging es nicht so. Sie setzte sich ein Ziel und konnte es umsetzen, egal was kommt, ob Hölle oder Hochwasser.“
Mildred gab ihr verdientes Geld für schicke Kleidung aus, farblich abgestimmte Schuhe und Hüte, ein luxuriöses weiches Bett, auf das ihre Schwester neidisch war und ein Eindruck erweckendes Auto. Mildred berichtet:
„Ich entdeckte, dass es leicht war, Geld zu verdienen. Und man hatte mich glauben lassen, dass Geld und Besitz ein Leben voller Glück und Seelenfrieden garantieren. Deshalb war das der Weg, dem ich folgte.“
Die Goldene Regel blieb ihr weiterhin von großer Hilfe. Sie gibt ein weiteres Beispiel an:
„Ich bekam die Anstellung, die eine meiner Freundinnen haben wollte. Zusätzlich wurde ich in einen Posten im örtlichen Club gewählt, für den sie auch kandidiert hatte. Ich glaube, sie begann mich zu hassen. Sie erzählte alle möglichen Gemeinheiten über mich. Ich merkte, dass dies eine sehr unschöne Situation war. Dann holte ich die Goldene Regel hervor. Ich dachte und sagte alles nur erdenklich Nette, was wirklich über meine Freundin gesagt werden konnte. Ich versuchte, ihr Gefälligkeiten zu tun. Es ergab sich die Gelegenheit, dass ich ihr einen außerordentlichen Dienst leisten konnte. Kurz und Gut, als sie ein Jahr später heiratete, war ich ihre Brautjungfer.“
Neben ihrem umfangreichem sozialen Leben verfasste Mildred Theaterstücke, nähte passende Kostüme und organisierte die Aufführungen. Einmal inszenierte sie sogar die im Ort recht erfolgreiche Aufführung eines Musicals.
Mildred war attraktiv und liebte es, auszugehen und zu tanzen. Sie hatte ständig neue Verehrer, ohne jemals ernsthaft einen festen Freund zu haben. Ihre Schwester berichtet: „Sie benutzte Makeup wenn sie sich mit jungen Männern traf und verbrachte ziemlich viel Zeit vor dem Spiegel. Bevor sie ausging, trug sie alle möglichen Sorten Makeup auf. Das war neu für uns. Wir waren einfache Leute. So etwas kannten wir zuhause überhaupt nicht.“
In der Familie mit den drei unverheirateten Tanten blieb ein Thema jedoch unangesprochen, nämlich Beziehungen zum anderen Geschlecht. Mildred war zwar nach außen frei und rebellisch, doch sie nahm alle Dinge sehr ernst. Sexualität war, wenn überhaupt, dann nur in der Ehe denkbar. Um es auszuprobieren gab es nur einen Weg: 1933, als sie 25 war, heiratete sie heimlich. Ihr Mann wurde der fast drei Jahre jüngere Stanley Ryder, den sie schon einige Jahre kannte. Die beiden stellten die Familie danach vor vollendete Tatsachen und bezogen anschließend ein Appartement in Egg Habor.
Die Wahl von Stanley als Ehemann blieb für ihre Familie unverständlich. „Reine körperliche Anziehung“, war das Urteil ihrer Schwester. Stanley hatte andere ethische Werte als die Normans, außerdem hatte er Schwierigkeiten, Arbeit zu finden und Geld zu verdienen. Einmal missbrauchte er sogar den kreditwürdigen Namen von Mildreds Vater und schrieb ungedeckte Schecks. Das brachte ungekannte Schande auf die bisher angesehene Norman-Familie.
1936 starb Mildreds Vater in einem Autounfall durch einen betrunkenen Fahrer. Eine auf die Farm laufende Hypothek konnte dann nicht mehr bezahlt werden und die Farm wurde verkauft. Alle zusammen, einschließlich Mildred, Stanley und der drei Tanten, zogen danach in eine große Mietwohnung.
Mildred und Stanley hatten häufig Streit. Der Auslöser war meistens, dass er auf unmögliche Art versuchte, in ein neues Geschäft einzusteigen. Wenn er nach Hause kam, kündigte er an, was er getan hatte, und Mildred rief dann regelmäßig aus: „O, du Blödmann!“ (»Oh, you imbecile!«) Stanley wünschte sich Kinder, aber Mildred konnte sich nicht entschließen, eine brave Hausfrau zu werden und eine Familie aufzuziehen. Später sagte sie: „Ich war nicht zum Familienleben berufen.“ Ihre Schwester berichtet: „Mildred hatte Schwierigkeiten mit ihrem Ehemann. Es gab nicht viel Sinn in ihrem Leben. Sie suchte nach etwas Sinnvollem.“
Bis 1938 — sie war 29 — nahm ihre Sinnkrise zu. Was dann kam, beschreibt sie so:
„Ich war erzogen worden, großzügig und selbstlos zu sein. Gleichzeitig wurde mir die Einstellung beigebracht: ‚Wenn du erfolgreich sein willst, dann musst du in die Welt gehen und mehr an dich raffen, als nur deinen Anteil der Güter dieser Welt.‘ Diese widersprechenden Philosophien, die ich aus meiner Kindheit übernommen hatte, verwirrten mich einige Zeit …
Ich musste endlich einen anderen Weg finden. Der Wendepunkt kam, als ich — verzweifelt und aus der tiefen Suche nach einem sinnvollen Leben — eine ganze Nacht lang durch die Wälder lief. Ich kam zu einer mondbeschienenen Waldwiese und betete. Ich fühlte meine vollkommene Bereitschaft, ohne irgendwelche Vorbehalte mein Leben zu geben, mein Leben dem Dienen zu widmen. ‚Bitte lass mich dein Werkzeug sein‘, betete ich zu Gott. Und ein großer Friede überkam mich. Das ist ein Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Danach kann man nie mehr zu einem egozentrischen Leben zurückkehren.“
Dieses Erlebnis bezeichnete sie als ihre erste spirituelle Erfahrung:
„Danach begann meine zweite Lebensphase. Ich begann zu leben um zu geben, statt zu leben um zu nehmen. Mein Leben bekam Sinn. Ich erlangte den Segen einer guten Gesundheit, seitdem hatte ich nie wieder eine Erkältung oder Kopfschmerzen. Die meisten Krankheiten sind psychisch bedingt …“
„Es ist jedoch ein großer Unterschied zwischen der Bereitschaft, zu leben um zu geben, und der Fähigkeit, dies wirklich zu tun. Für mich lagen 15 Jahre innere Arbeit und inneres Suchen dazwischen.“
Die erste Hälfte der jetzt folgenden 15 Jahre waren gekennzeichnet durch den Kampf zwischen ihrer egozentrischen und der gottzentrierten Natur. Sie berichtet:
„Mir wurde klar, dass es so ist, als hätten wir zwei Selbste oder zwei Naturen oder zwei Willen mit zwei verschiedenen Gesichtspunkten in uns. … Körper, Geist und Gefühle sind Instrumente, die von der egozentrierten Natur oder der gottzentrierten gesteuert werden können. Die egozentrierte Natur ist aber nicht fähig, diese Instrumente ganz zu kontrollieren, und es gibt ständig Kampf … Das Ego hat nie wirkliche Kontrolle. Es wird selbst kontrolliert durch körperliche Wünsche nach Komfort und Bequemlichkeit, durch Forderungen des denkenden Geistes und durch Gefühlsausbrüche … Erst wenn die gottzentrierte Natur die Leitung übernimmt, hat man inneren Frieden.“
„Während der spirituellen Wachstumsphase kann der innere Konflikt mehr oder weniger stürmisch sein. … Die egozentrierte Natur ist ein ziemlich harter Gegner, der verbissen um die Macht kämpft. Er verteidigt sich gerissen und man darf ihn nicht unterschätzen. Er kennt alle Schwachstellen deiner Rüstung und sucht die Konfrontation, wenn du es am wenigsten erwartest.“
Handlungsorientiert machte sie sich an die Arbeit:
„Ich begann mit einem interessanten Projekt, nämlich all die guten Dinge zu leben, an die ich glaubte. Ich verwirrte mich nicht damit, alles auf einmal umzusetzen. Wenn ich merkte, dass ich etwas tat, von dem ich wusste, das ich es nicht tun sollte, hörte ich damit auf und ließ es sofort innerlich los. Wenn ich merkte, dass ich etwas nicht tat, von dem ich wusste, das ich es tun sollte, ging ich die Sache an.“
„Jeden Morgen dachte ich an Gott und daran, wie ich an diesem Tag Gottes Kindern dienen könnte. Ich betrachtete jede Situation aus dem Blickwinkel, ob ich nicht irgendwo von Nutzen sein könnte.“
Sie begann mit einfachen Dingen, einem Lächeln, einem netten Wort. Später half sie anderen mit Besorgungen, mit Gartenarbeit, oder indem sie ihnen etwas vorlas.
Eine wichtige Übung blieb für sie das tägliche Wandern in der Natur in empfangender meditativer Stille, offen für Inspiration.
1939 zogen Mildred und Stanley nach Philadelphia, der Hauptstadt von New Jersey, wo er ein Stellenangebot hatte. 1940 begannen sich die USA auf den Krieg vorzubereiten. Mildred wollte den Krieg nicht durch ihre Einkommenssteuern unterstützen. Sie kündigte ihren sehr gut bezahlten Job und achtete darauf, in Zukunft nicht mehr als 12 Dollar pro Woche zu verdienen, um unter der Steuergrenze zu bleiben. Sie arbeitete nur noch zwei Tage die Woche. In der restlichen Zeit engagierte sie sich in der Alten- und Krankenpflege, im Beratungsdienst für Jugendliche in Schwierigkeiten und in der Behindertenhilfe. Sie besuchte außerdem Weiterbildungskurse, eine Quäker-Gruppe und Anti-Kriegs-Gruppen und versuchte mit Stanley über deren Argumente zu reden. Stanley jedoch kam aus einer patriotischen Familie und war keineswegs Kriegsgegner. Er hätte sich dem Militärdienst entziehen können, doch das lag ihm völlig fern. Langsam zerbrach ihre Beziehung darüber. Bald kam Mildred von ihren Friedensgruppen erst um 2 oder 3 Uhr nachts nach Hause, und Stanley ging nachts mit Arbeitskollegen aus, statt nach Hause zu kommen. Mit dem Tag, als er 1943 den Militärdienst aufnahm, endete ihre Ehe.
Stanley wurde in Deutschland eingesetzt und verliebte sich nach Kriegsende in eine Deutsche. 1947 hatte er einen kurzen Heimaturlaub und nutzte die Gelegenheit, die Scheidungsformalitäten zu erledigen. Später heiratete er seine deutsche Freundin und kehrte mit ihr wieder nach Egg Harbor zurück.
Mildred blieb in der gemeinsamen Wohnung in Philadelphia und trennte sich mehr und mehr von unnötigem Besitz und bedeutungslosen Aktivitäten. Eine Freundin berichtete, das sie ihren Kleiderbestand auf zwei Kleidungsausstattungen reduziert hatte und von 10 Dollar die Woche lebte. Gleichzeitig war Philadelphia eine intensive Studienzeit für Mildred; sie studierte hier viele Philosophiesysteme, u.a. Yoga-Philosophie, und lernte von einem farbigen Prediger (bekannt als „Father Divine“), einem Vorläufer von Martin Luther King. Langsam formte sie aus allem ihre eigene Philosophie.
Mildred ging ihr Projekt, geistig zu wachsen, methodisch an. Sie fühlte, dass der Weg zu ihrem Ideal drei Aspekte beinhaltete, nämlich Bereitwerden, Reinigung, Loslassen. Jedem dieser Aspekte ordnete sie in klare Ziele zu. Daraus leitete sie schließlich ihre konkreten Schritte zum inneren Frieden ab.
Es dauerte seine Zeit, diese Vorgaben umzusetzen. Sie berichtet zum Beispiel:
„Nachdem ich die völlige Bereitschaft fühlte, mein Leben zu geben dauerte es fünf Jahre, bis ich begann, mich um den Tempel, der der Körper ist, zu kümmern — fünf Jahre! … Ich war an Koffein gewöhnt. Morgens nach dem Aufstehen kam zuerst die Tasse Kaffee. Eines Morgens, nachdem ich sie getrunken hatte, betrachtete ich die Tasse und sagte mir: ‚Du bist abhängig davon, um morgens in Gang zu kommen! Ich werde mich nicht zum Koffein-Sklaven machen. Das hört sofort auf.‘ Und das tat es. Ich rührte keinen Kaffee mehr an. Ein paar Tage vermisste ich ihn, aber ich bin stärker als diese Kaffeetasse.“
Später sagte sie in Hinblick auf den Körper:
„In meinen Ess- und Schlafgewohnheiten halte ich den Kontakt zur Natur so nah, wie für mich möglich … Man denkt, die Reinigung des Körpers wäre der erste Bereich, an dem Leute arbeiten würden, doch meine Erfahrung zeigte, dass es häufig der letzte ist — denn es bedeutet, dass wir einige unserer schlechten Gewohnheiten aufgeben, und es gibt nichts, woran wir uns zäher klammern.“
Anfangs war Mildred recht hart mit sich selbst, doch später überwand sie diese Haltung:
„Ich war nachsichtig mit anderen, aber nicht mit mir. Falls mein Handeln nicht das höchste war, sagte ich mir: ‚Du solltest es besser wissen.‘ Eines Tages, als ich mir das Haar vor dem Spiegel kämmte, betrachtete ich mich und sagte zu mir: ‚Du eingebildetes Ding! Warum glaubst du, es besser zu wissen, wenn du allen anderen erlaubst, es nicht besser zu wissen? Du stehst doch nicht über ihnen.‘“
Etwa 1945/46 — sie war 37 und ihr innerer Kampf währte bereits sieben, acht Jahre — kam ihre erste Gipfelerfahrung. Sie berichtet:
„Während dieser spirituellen Wachstumsperiode hatte es Höhen und Tiefen gegeben, viele Höhen und Tiefen. Dann, inmitten des Kampfes, kam eine wunderbare Gipfelerfahrung — ein erster Blick auf das, was ein Leben in innerem Friedens sein kann.“
„Es passierte, als ich früh morgens draußen wanderte. Ganz plötzlich kam ein erhebendes Gefühl über mich, stärker als ich es je gespürt hatte. Ich erinnere mich, dass ich Zeitlosigkeit, Raumlosigkeit und Leichtigkeit erlebte. Ich schien nicht mehr auf der Erde zu gehen. Keine Menschen, auch keine Tiere waren da, aber jede Blume, jeder Strauch, jeder Baum schien einen Heiligenschein zu tragen. Alles war von einer Lichtausstrahlung umgeben. Goldsprenkel fielen wie schräg fallender Regen durch die Luft. Das Wichtigste waren aber nicht diese Phänomene; das Wichtigste war das Erkennen der Einheit aller Schöpfung. Nicht nur mit den Menschen — ich wusste schon vorher, dass alle Menschen eine Einheit sind — aber jetzt erfuhr ich auch die Einheit mit dem Rest der Schöpfung. Mit den Geschöpfen, die auf der Erde wandeln, den Gewächsen der Erde, der Luft, dem Wasser, mit der Erde selbst. Und, am wundervollsten, die Einheit mit Dem, was alles durchdringt, alles zusammenhält und allem Leben gibt. Eine Einheit mit Dem, was viele Gott nennen würden.“
Nach dieser Erfahrung war das Gefühl der Trennung ein für allemal verschwunden. Ihr Geist kehrte auch nicht mehr in die gewohnten Tiefen zurück, das Schwingen zwischen Höhen und Tiefen blieb jedoch, nur auf höherem Niveau. Sie befand sich immer noch mitten im spirituellen Wachstumsprozess, und es sollte noch einmal sieben, acht Jahre dauern, bis der innere Kampf gewonnen war und innerer Frieden ununterbrochen ihr Eigen war.
In dieser zweiten Hälfte des inneren Wachstumsprozesses lernte sie, immer längere Perioden auf den Höhen des inneren Friedens zu bleiben, und doch „rutschte“ sie regelmäßig wieder aus diesen Zuständen heraus.
Erst Ende 1952 — sie war 44 — begann ein neuer Lebensabschnitt:
„Ich saß auf einem Hügel und blickte über das ländliche Neu-England. Am Vortag war ich aus der inneren Harmonie abgerutscht und abends hatte ich Gott den Gedanken gesandt: ‚Mir scheint, wenn ich immer im Harmoniezustand bleiben könnte, könnte ich nützlicher sein — jedes Mal wenn ich daraus abgleite, beeinträchtigt es meine Nützlichkeit.‘
Als ich morgens aufwachte, war ich zurück auf der spirituellen Höhe und mit einem wunderbaren Gefühl. Ich wusste, dass ich nie wieder in die Tiefen hinabzusteigen brauchte. Ich wusste, für mich war der Kampf vorbei, endlich hatte ich es geschafft, mein Leben zu geben, d.h. inneren Frieden zu finden. Dies ist wieder ein Punkt ohne Umkehr. Du kannst nicht mehr zurück zum Kampf. Der Kampf ist vorbei, weil du das Richtige tun wirst und nicht mehr dazu gedrängt werden musst.
Ich ging nach draußen zusammen mit Gott. Während ich draußen war, beeindruckte ein Gedanke meinen Geist: Ich fühlte eine starke innere Motivation, auf Pilgerreise zu gehen — um auf diese spezielle Art Frieden zu bezeugen.
Mit dem geistigen Auge sah ich mich wandern in der Kleidung meiner Botschaft. Ich sah eine Landkarte der Vereinigten Staaten. Die großen Städte waren markiert, als hätte jemand mit einem Buntstift eine Zickzack-Linie gezeichnet, von Küste zu Küste, Grenze zu Grenze, von Los Angeles nach New York. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Das war die Vision der Pilgerroute für das kommende Jahr 1953. Ich betrat eine neue und wunderbare Welt. Mein Leben wurde gesegnet mit einer sinnvollen Sache.“
„… Am 1. Januar 1953 begann ich meine Pilgerreise. In gewisser Weise ist es mein spiritueller Geburtstag. Zu dieser Zeit war ich eins mit dem Ganzen geworden. Ich war nicht länger ein Samen, verborgen in der Erde. Ich fühlte mich wie eine Blume, die sich ohne Anstrengung der Sonne entgegenreckt. An diesem Tag wurde ich eine Pilgerin, die von der Güte anderer abhängt. Es sollte eine Pilgerreise auf traditionelle Weise werden, nämlich zu Fuß und in Gottvertrauen. Zurück ließ ich alle Rechte auf Name, persönliche Geschichte, Besitz und Beziehungen.
Es sollte ein herrliche Reise werden.“
Die Pilgerreise begann überraschend gut. Sie trug die Kleidung ihrer inneren Sendung, Farbe marineblau, über ihrem Hemd eine kurze ärmellose Tunika, die in weißer Schrift vorne die Worte Peace Pilgrim trug und hinten Walking Coast to Coast for Peace. Mildred nannte sich ab jetzt nur noch Peace Pilgrim, ihren alten Namen hatte sie samt Besitz und persönlicher Geschichte aufgegeben.
Der Zweck der Aufschrift auf der Tunika war, auf nette Art in Kontakt mit anderen zu kommen. Sie zog es vor, angesprochen zu werden, statt andere anzusprechen. Die Menschen, die sie ansprachen, interessierten sich entweder für das Thema Frieden oder waren einfach nur neugierig. Beide Gruppen fand sie wertvoll und teilte mit ihnen ihre Botschaft:
„Meine Mission ist es, Frieden zu fördern, indem ich anderen helfe, inneren Frieden zu finden. Wenn ich ihn finden kann, dann kannst du es auch.“
Ein zweiter Grund ihrer Pilgerschaft war, dass das Wandern für sie eine Gebetshilfe war. Ihr persönliches Gebet war: „Mache mich zu einem Instrument, durch das nur die Wahrheit sprechen kann“, und beim Wandern konnte sie sich besonders gut darauf konzentrieren. Nach einigen Jahren Pilgerschaft entdeckte sie, dass das Gebet unaufhörlich geworden war.
Sie hatte erwartet, dass die Reise Schwierigkeiten beinhalten würde, doch sie sagt: „Statt Schwierigkeiten regnete es Segnungen auf mich.“ Ihre erste Lektion war, zu lernen auf der empfangenden Seite zu stehen. Dazu gehörten ganz unerwartete Dinge:
„Das Problem ist nicht, wie ich genug zu essen bekomme. Es ist vielmehr, auf freundliche Art zu vermeiden, zuviel zu bekommen. Jeder will mich überfüttern.“
Mehrere Male wurde sie von der Polizei aufgegriffen und wegen Landstreicherei ins örtliche Gefängnis gesteckt. Ihr Gesetzesverstoß war, kein Geld zu haben. Durch ihre entwaffnende Freundlichkeit stellte sie die Polizeistationen regelmäßig auf den Kopf, so dass sie am nächsten Tag wieder entlassen wurde, worauf sie sich ehrlich für den wunderbaren Aufenthalt bedankte.
Die Leute wunderten sich, dass sie so voller Freude war. Sie antwortete darauf: „Wer könnte Gott kennen und nicht voller Freude sein?“
Einmal allerdings — während des ersten Pilgerjahres — entkam sie nur knapp dem Tod. Sie berichtet:
„Ich wanderte in einer sehr isolierten Gegend in den Bergen Arizonas, wo es meilenweit keine menschliche Behausung gab. Am Nachmittag kam plötzlich ein Schneesturm auf, entgegen der Jahreszeit. So einen Sturm hatte ich noch nicht gesehen. Wenn der Schnee Regen gewesen wäre, wäre es ein Wolkenbruch gewesen. Niemals zuvor hatte ich Schneemassen gesehen, die derartig heruntergekippt werden.
Plötzlich stapfte ich in tiefem Schnee und konnte nicht mehr durch die fallenden Schneemassen sehen. Ich merkte, dass keine Autos mehr fuhren. Ich nahm an, dass sie auf dem Highway stecken geblieben waren und nicht weiter kamen. Dann wurde es dunkel. Da muss eine schwere Wolkendecke gewesen sein. Ich konnte meine Hand nicht vor Augen sehen, und der Schnee blies in mein Gesicht und verschloss meine Augen. Es wurde kalt. Es war die Art von Kälte, die bis ins Mark geht.
Hätte ich jemals den Glauben verloren und Furcht empfunden, dann wäre das der Moment gewesen, denn ich wusste, dass es hier keine menschliche Hilfe gab. Stattdessen erschien die ganze Erfahrung der Kälte und des Schnees unwirklich. Nur Gott schien wirklich — nichts sonst. Ich identifizierte mich nicht mit dem Körper — der vergänglichen irdischem Hülle — sondern ganz mit der Wirklichkeit, die den Körper aktiviert und die unvergänglich ist.
Ich fühlte mich so frei; ich fühlte, dass alles richtig wäre, egal, ob ich in diesem irdischen Leben bleiben würde, um weiter zu dienen, oder ob ich in einem jenseitigen freieren Leben dienen würde. Ich fühlte mich geführt weiterzugehen, und ich ging weiter, obwohl ich nicht wusste, ob ich den Straßenrand entlangging oder in irgendein Feld. Ich konnte nichts sehen. Meine Füße in meinen Segeltuchhalbschuhen waren wie Eisklumpen. Sie fühlten sich überaus schwer an, als ich mich voranschleppte. Mein Körper wurde ganz taub vor Kälte.
Nachdem mehr Taubheit als Schmerz da war, begann etwas, was manche eine Halluzination nennen würden — und andere eine Vision. Es war, als würde mir nicht nur die verkörperte Seite des Lebens bewusst, wo es stockdunkel war mit beißender Kälte und wirbelndem Schnee — sondern auch die unverkörperte Seite, die so nah schien, als könnte ich jetzt in sie hinübertreten, und wo alles Wärme und Licht war. Schönheit war da. Es begann mit bekannten Farben und überstieg diese. Es begann mit bekannter Musik und überstieg diese.
Dann sah ich Wesenheiten. Sie waren sehr weit weg. Eine von ihnen bewegte sich sehr schnell zu mir hin. Als sie nah genug herangekommen war, erkannte ich sie. Sie sah viel jünger aus, als sie zum Zeitpunkt ihres Todes ausgesehen hatte.
Ich glaube, dass am Anfang des Übergangs, der Tod genannt wird, unsere Nächsten und Liebsten zu uns kommen, um uns willkommen zu heißen. Ich war mit sterbenden Freunden zusammen, als sie hinübergingen, und ich erinnere mich gut, wie sie mit ihren Lieben beider Seiten sprachen — als ob alle zusammen in einem Zimmer gewesen wären.
Deshalb glaubte ich, meine Zeit sei jetzt gekommen, und ich begrüßte sie. Ich sagte oder dachte: ‚Du kommst mich holen?‘ Aber sie schüttelte ihren Kopf! Sie wies mich an, zurückzugehen! Und genau in dem Moment lief ich gegen ein Brückengeländer. Die Vision war zu Ende.
Weil ich mich geführt fühlte, tastete ich mich den verschneiten Straßendamm hinunter und gelangte unter die Brücke. Dort fand ich einen großen Pappkarton mit Packpapier darin. Sehr langsam und schwerfällig durch meinen tauben Zustand, schaffte ich es, mich in diesen Pappkarton zu legen und irgendwie schaffte ich es mit meinen steifen Fingern, das Packpapier um mich zu wickeln. Dort unter der Brücke, während des Schneesturms, schlief ich ein. Selbst dort war für Schutz gesorgt — und für diese Erfahrung war auch gesorgt.
Hätte man mich gesehen inmitten des Schneesturms, hätte man vielleicht gesagt: ‚Durch was für eine fürchterliche Erfahrung diese arme Frau jetzt geht‘. Aber zurückblickend kann ich nur sagen: Welch wunderbare Erfahrung, in der ich dem Tod gegenüber stand, ohne Furcht zu empfinden, sondern ständig der Gegenwart Gottes bewusst — das ist es, was man zur anderen Seite mitnimmt.“
Peace Pilgrim sagt, dass ihr geistiger Fortschritt auch in dieser dritten Lebensphase nicht aufhörte. Sie fühlte, dass sie weiterhin große Fortschritte machte, doch ohne inneren Kampf.
„…im Innern ist eine Unerschütterlichkeit, durch die du dich jeder Situation stellen kannst. Die Welt mag dich anschauen und denken, dass du vor großen Problemen stehst, aber es gibt immer innere Quellen, um mit Leichtigkeit die Probleme zu lösen. Nichts scheint mehr schwierig.“
Nachdem sie gegen Ende des ersten Jahres das Land durchquert hatte und in New York ankam, war sie von Dankbarkeit erfüllt, weil sie geschafft hatte, wozu sie sich berufen fühlte. Sie schlief in der Nacht im New Yorker Hauptbahnhof. Am Morgen, in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen, hörte sie eine unbeschreiblich schöne Stimme sagen: „Du bist meine geliebte Tochter, an der ich Freude habe.“ Sie erwachte und ihr war, als hätte ein himmlisches Orchester im Bahnhof gespielt und als würden die letzten Klänge noch nachhallen. Sie ging hinaus in den kalten Morgen, aber fühlte sich warm. Sie lief auf dem zementierten Fußweg, doch ihr war, als liefe sie auf Wolken. Das Gefühl, in Harmonie mit der göttlichen Bestimmung zu leben, verließ sie nie mehr.
Jahrein, jahraus wanderte Peace Pilgrim so durch die Vereinigten Staaten, Kanada, Mexiko. Anfangs benutzte sie im Winter einen blauen Schal und einen Pullover, aber nach einigen Jahren wurde das überflüssig. Sie trug dieselben Sachen, Sommer wie Winter, drinnen und draußen: Boxershorts und Unterhemd, was gleichzeitig ihr Badeanzug war — sie liebte es immer noch, in natürlichen Gewässern zu schwimmen —, eine lange, weite, marineblaue Hose und Hemd und darüber die ärmellose Tunika mit der Aufschrift Peace Pilgrim. Im Sommer wanderte sie nach Norden und im Winter nach Süden.
Freunde sammelten ihre Worte, es gibt auch Video- und Tonbandaufnahmen. Nach Peace Pilgrims Tod stellten sie ein Buch zusammen: PEACE PILGRIM, Her Life And Work in Her Own Words. Noch wenig dokumentiert ist hingegen der Einfluss, den Peace Pilgrim auf das Leben anderer hatte.
Ann Rush vom Peace Pilgrim Center schreibt dazu:
„Es gibt so viele gute Erinnerungen an sie. Ich erinnere mich, als sie in der Kirche der Religious Science in Whittier sprach. Sie war 70 (das kriegten wir erst nach ihrem Tod heraus, sie sagte ja nie ihr Alter) und auf ihrem Höhepunkt. Sie verweigerte ein Mikrofon, obwohl die Kirche brechend voll war. Als sie ihr Bein bewegte, um ihren Stand zu ändern, war jugendlicher Schwung dabei. Während sie ihre Arme benutzte, um einen Punkt in ihrer Ansprache zu verdeutlichen, strahlte sie vor jugendlicher Energie. Der Pastor sagte mir später, er habe lange Jahre Predigterfahrung. Als er während ihres Vortrags annahm, dass die Zuhörer unruhig werden würden, waren diese total gefangen. Er schrieb an seine Pastorenkollegen im ganzen Land: ‚Von allen einzelnen Ereignissen machte sie den größten Eindruck auf mich und mein Leben.‘“
Tatsächlich wurde Peace Pilgrim Anfang 1981 von einer Gruppe von Kirchenleitern offiziell für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Im Juli 1981 jedoch trat sie in das freiere Leben ein.
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„Ich sah, dass das selbstzentrierte Leben es nicht wert war, gelebt zu werden. Wenn das, was du tust, keinem außer dir selbst nützt, ist es nicht wert, getan zu werden.“
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„Das spirituelle Leben ist das wirkliche Leben; der Rest ist Einbildung und Täuschung. Nur diejenigen, die einzig an Gott hängen, sind wirklich frei.“