Klassische vedantische Hymnen, Shankara zugeschrieben

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Shankara umgeben von seinen Schülern

Inhalt

Shankara wird bei sehr vielen Hymnen traditionell als Autor angesehen. Ob er tatsächlich der Autor war, ist schwer zu sagen. Der Inhalt der folgenden Hymnen gibt jedenfalls seine Lehre gut wieder.




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Erinnerung bei Sonnenaufgang

Prātaḥ-smaraṇa-stotram

 

prātaḥ smarāmi hṛdi saṃ-sphurad ātma-tattvaṃ,
sac-cit-sukhaṃ parama-haṃsa-gatiṃ turiyam |
yat svapna-jāgara-suṣuptim avaiti nityaṃ,
tad-brahma niṣ-kalam ahaṃ na ca bhūta-saṃghaḥ || 1 ||

prātaḥ Adverb bei Sonnenaufgang, morgens smarāmi 1 Pers Sing Präs erinnere ich mich hṛdi Lok Sing Neutr im Herzen sam-sphurat Akk Sing Neutr Part Präs an das aufleuchtende ātma-tattvam Akk Sing Neutr Ātman-Sosein
sat-cit-sukham Akk Sing Neutr [welches] Sein-Bewusstseins-Glück [ist,] parama-haṃsa-gatim Akk Sing Fem das Ziel der Paramahamsas, turīyam Akk Sing Neutr der vierten Zustand.
yat Rel-Pron Nom Sing Neutr Welches svapna-jāgara-suṣuptim Akk Sing Fem zum Traum-, Wach-, Tiefschlaf-Zustand ava-eti 3 Pers Sing Präs hinabsteigt nityam Adverb ständig.
tat-brahma Nom Sing Neutr Dieses Brahman niḥ-kalam Nom Sing Neutr ohne Teile aham [bin] ich na ca und nicht bhūta-saṃghaḥ Nom Sing Mask eine materielle Element-Zusammenstellung

Bei Sonnenaufgang erinnere ich mich an das im Herzen aufleuchtende Dasein des Ātman,

welches Sein-Bewusstsein-Glück, Ziel der höchsten Yogis, vierter Zustand ist;

welches in die Zustände von Träumen, Wachen und Tiefschlaf ständig hinabsteigt;

dieses Brahman ohne Teile bin ich und nicht eine Verbindung materieller Elemente. (1)

 

prātar bhajāmi manaso vacasām agamyaṃ,
vāco vibhānti nikhilā yad-anu-graheṇa |
yan neti neti vacanair nigamā avocus,
taṃ deva-devam ajam acyutam āhur agryam || 2 ||

prātaḥ bei Sonnenaufgang bhajāmi 1 Pers Sing Präs verehre ich manasaḥ Gen Sing Neutr [das] für Gedanken vacasām Gen Plu Neutr [und] für Worte a-gamyam Akk Sing Neutr unerreichbare
vācaḥ Nom Plu Fem Worte vi-bhānti 3 Pers Plu Präs erscheinen ni-khilāḥ Nom Plu Fem restlos yat-anu-grahena Inst Sing Neutr durch dessen Gnade
yat Akk Sing Neutr welches na iti na iti vacanaiḥ Inst Plu Neutr mit den Worten: „Nicht das, nicht das.“ nigamāḥ Nom Plu Mask die heiligen Texte avocuḥ 3 Pers Plu Aorist beschrieben haben
tam Akk Sing Mask welchen [sie] deva-devam Akk Sing Mask Gott unter den Göttern a-jam Akk Sing Mask ungeboren a-cyutam Akk Sing Mask unerschütterlich āhuḥ 3 Pers Plu Perfekt genannt haben agryam Akk Sing Mask an der Spitze stehend

Morgens verehre ich das von Gedanken und Worten Unerreichbare,

durch dessen Gnade alle Worte entstehen;

welches die heiligen Texte mit den Worten „Nicht dies, nicht das“ beschrieben haben,

das sie Gott der Götter, ungeboren, unerschütterlich und an der Spitze stehend genannt haben. (2)

 

prātar namāmi tamasaḥ param arka-varṇaṃ,
purṇaṃ sanātana-padaṃ puruṣottamākhyam |
yasminn idaṃ jagad-aśeṣam aśeṣa-mūrtau,
rajjvāṃ bhujaṃ-gama iva prati-bhāsitaṃ vai || 3 ||

prātaḥ bei Sonnenaufgang namāmi 1 Pers Sing Präs verneige ich mich vor tamasaḥ Abl Sing Neutr von der Dunkelheit param Akk Sing Mask jenseits arka-varṇam Akk Sing Mask die Farbe der Sonne [habend]
purṇam Akk Sing Mask vollkommen sanātana-padam Akk Sing Mask Ewigkeits-Zeichen puruṣa-uttama-ākhyam Akk Sing Mask höchster Purusha genannt
yasmin Rel-Pron Lok Sing Mask in welchem idam Pron Nom Sing Neutr diese jagad-aśeṣam Nom Sing Neutr Welt-Gesamtheit aśeṣa-murtau
Lok Sing Mask in vollständiger Materialisierung
rajjvām Lok Sing Fem in einem Seil bhujam-gamaḥ Nom Sing Mask eine Schlange iva wie prati-bhāsitam PPP Nom Sing Neutr erschienen ist vai wahrlich

Morgens verneige ich mich vor dem, welches jenseits der Dunkelheit ist, von der Farbe der Sonne,

vollkommen, mit Ewigkeit als Merkmal, und höchstes Prinzip genannt;

in welchem dieses ganze Universum in vollständig materieller Form

wahrlich so erschienen ist wie eine Schlange wo [nur] ein Seil ist. (3)


Sechs Verse über das Nirvāṇa

Nirvāṇa-ṣaṭkam

 

mano-buddhy-ahaṃkāra-cittāni nāhaṃ,
na ca śrotra-jihve na ca ghrāṇa-netre |
na ca vyoma-bhūmir na tejo na vāyuś,
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 1 ||

manaḥ-buddhi-ahaṃkāra-cittāni Nom Plu Neutr Gemüt, Verstand, Ego, Erinnerung na nicht aham ich [bin]
na ca und nicht śrotra-jihve Nom Dual Neutr Ohr, Zunge na ca und nicht ghrāṇa-netre Nom Dual Neutr Nase, Auge
na ca und nicht vyoma-bhūmir Nom Sing Fem Raum, Erde na nicht tejaḥ Nom Sing Neutr Feuer na nicht vāyuḥ Nom Sing Mask Luft
cid-ānanda-rūpaḥ Nom Sing Mask Bewusstsein-Glückseligkeit-Gestalt śivaḥ Nom Sing Mask Shiva (=der Gütige)/das Absolute, ahaṃ [bin] ich

Weder Gemüt, Verstand, Ego oder Erinnerung bin ich,

noch Ohr, Zunge, noch Nase, Auge,

noch Raum, Erde, noch Feuer, noch Luft,

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (1)

 

na ca prāṇa-saṃjño na vai pañca-vāyur,
na vā sapta-dhātur na vā pañca-kośaḥ |
na vāk-pāṇi-pādaṃ na copastha-pāyū,
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 2 ||

na ca und nicht prāṇa-saṃjñaḥ Nom Sing Mask das was als Prāṇa angesehen wird na nicht vai wahrlich pañca-vāyuḥ Nom Sing Mask die fünf Körperwinde
na vā noch sapta-dhātuḥ Nom Sing Mask die sieben Körperbestandteile na vā noch pañca-kośaḥ Nom Sing Mask die fünf Hüllen [um den Atman]
na nicht vāk-pāṇi-pādam Nom Sing Neutr Sprache, Hand, Fuß na ca und nicht upastha-pāyū Nom Dual Mask Sex-Organ, Anus
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham s.o.

Weder das, was als Prāṇa angesehen wird, noch die fünf Körperwinde,

weder die sieben Körperbestandteile, noch die fünf Hüllen um den Ātman,

nicht Sprachorgan, Hand, Fuß, nicht Geschlechtsorgan noch Anus,

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (2)

 

na me dveṣa-rāgau na me lobha-mohau,
mado naiva me naiva mātsarya-bhāvaḥ |
na dharmo na cārtho na kāmo na mokṣaś,
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 3 ||

na me nicht mein [sind] dveṣa-rāgau Nom Dual Mask Abneigung und Anhaftung na me nicht mein [sind] lobha-mohau Nom Dual Mask Gier, Verblendung
madaḥ Nom Sing Mask Aufregung na eva in der Tat nicht me mein na eva in der Tat nicht mātsarya-bhāvaḥ Neid-Zustand
na nicht dharmaḥ Dharma, Pflicht na ca und nicht arthaḥ Geschäftserfolg, Karriere na nicht kāmaḥ Lust, Genuss na nicht mokṣaḥ Befreiung
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham s.o.

Zu mir gehören weder Abneigung noch Anhaftung, weder Gier noch Verblendung,

Aufregung ist nicht mein, noch der Zustand des Neids.

Weder Dharma, noch Karriere, noch Genuss, noch Befreiung,

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (3)

 

na puṇyaṃ na pāpaṃ na saukhyaṃ na duḥkhaṃ,
na mantro na tīrthaṃ na vedā na yajñāḥ |
ahaṃ bhojanaṃ naiva bhojyaṃ na bhoktā
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 4 ||

na nicht puṇyam tugendreiche Handlung na noch pāpam Sünde na nicht saukhyam Glück na noch duḥkham Leid
na nicht mantraḥ Mantra na noch tīrtham Wallfahrtsort na nicht vedāḥ Nom Plu Mask Veden na noch yajñāḥ Nom Plu Mask Opfer
aham ich bhojanam die Handlung des Genießens na eva nicht in der Tat bhojyam das zu Genießende na nicht bhoktā der Genießende
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham s.o.

Weder Tugend noch Laster, weder Freude noch Leid,

weder Mantra noch Wallfahrtsort, weder Heilige Schrift noch heiliger Ritus,

ich bin weder das Genießens, noch das, was genossen wird, noch der Genießende

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (4)

 

na mṛtyur na śaṅkā na me jāti-bhedaḥ,
pitā naiva me naiva mātā na janma |
na bandhur na mitraṃ gurur naiva śiṣyaś,
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 5 ||

na nicht mṛtyuḥ Tod na nicht śaṅkāḥ Furcht na me nicht mein jāti-bhedaḥ Geburts-Unterschied, Standesunterscheidung
pitā ein Vater na eva nicht in der Tat me mein na eva nicht in der Tat mātā eine Mutter na nicht janma Nom Sing Neutr eine Geburt
na nicht bandhuḥ Verwandter na nicht mitram Freund guruḥ Guru na eva nicht in der Tat śiṣyaḥ Schüler
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham s.o.

Mein sind nicht Tod, noch Furcht, noch Standesunterschiede,

ich habe weder Vater noch Mutter, noch Geburt,

weder Verwandte noch Freund, weder Guru noch Schüler

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (5)

 

ahaṃ nirvikalpo nirākārarūpo,
vibhutvāc ca sarvatra sarvendriyāṇām |
na cāsaṃgataṃ naiva muktir na meyaś,
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham || 6 ||

aham ich [bin] niḥ-vi-kalpaḥ ohne Subjekt-Objekt-Unterscheidung niḥ-ākāra-rūpaḥ von gestaltlosem Wesen
vi-bhutvāt Abl Sing Mask aufgrund von Alldurchdringung ca und sarvatra überall sarva-indriyāṇām Gen Plu Neutr für alle Sinnesorgane
na ca und nicht ā-saṃ-gataṃ Nom Sing Neutr gebunden na eva noch in der Tat muktiḥ Nom Sing Mask befreit na nicht meyaḥ Nom Sing Mask messbar
cid-ānanda-rūpaḥ śivo ’haṃ śivo ’ham s.o.

Ich bin ohne Subjekt-Objekt-Unterscheidung, gestaltlosen Wesens,

und aufgrund von Alldurchdringung für die Sinnesorgane überall.

Weder gebunden, noch befreit, noch erfassbar,

Bewusstsein und Glückseligkeit sind meine Gestalt,
ich bin das Göttliche, ich bin das Göttliche. (6)